Kultur in kleinen Dosen: Timon von Athen

Nachdem der Besuch von Taboris Goldberg-Variationen entgegen meinem oft, zuletzt im Gespräch über Schillers Räuber geäußerten Prinzip, nur Stücke von toten Autoren (also bevorzugt Klassiker) anzusehen, ein so großer Erfolg war, fiel mir der Entschluß, mit Shakespeares Timon von Athen eine der von mir - wie bei den Räubern - auch nicht immer geliebten Modernisierungen anzusehen zu wagen, recht leicht. So machte ich mich wieder ins Zimmertheater auf, das merkt und wundert sich nicht, wenn ich es innerhalb von zwei Wochen auch gerne nochmal sehe.

Nun ja. Auch der Timon hat die Modernisierung und Reduktion auf im Wesentlichen drei Figuren, von denen überhaupt nur zwei bei Shakespeare vorkommen, nicht gut überstanden. Neben Timon selbst, den man offenbar schlecht streichen konnte, blieb nur noch die Personalunion des Verwalters Flavius mit dem Philosophen Adamantus, die die Unabhängigkeit die sie von letzterem übernimmt nur mäßig glaubwürdig erscheinen läßt und auch die Auftritte im fünften Akt mehr verwässert als verbessert, übrig. Zu welchem Ende nun aber ein Götterbote - daß man in Athen hier die lateinischen Namen bevorzugt, erinnert ein Wenig an die Anglophilie Madame Swanns, wird aber von Shakespeare gedeckt - hinzuerfunden werden mußte, ist mir weder Anhand der Vorlage noch durch die Ausgestaltung der Rolle klar geworden. Gewiß werden die sich dadurch bietenden Gelegenheiten für alle möglichen komischen Pointen ebenso reichlich ausgenutzt wie auch der Rest durch allerlei - überwiegend gut gelungene - Witzeleien angereichert wird, aber das kann als Grund überzeugen? Lobenswert ist die Einbeziehung des Publikums in das Fest, die nicht nur bei diesem gut ankam, sondern der Eröffnung auch ein Tempo gibt, das man sonst leicht vermißte. Auch die Zusammenfassung der Zurückweisungen der Bitten Timons mithilfe eines szenischen Berichts des Verwalters sticht unter den Abweichungen von Shakespeares Vorlage positiv hervor, insgesamt geht aber durch die vielen Abkürzungen und -wege, die die Inszenierung nimmt, zu viel der Shakespearschen Sprache und auch einiges der Hintergründigkeit des Timons verloren, zumal Norbert Kentrup zwar die augenblicklichen Launen, nicht aber den grundlegenden Charakterwandel des Timon überzeugend darstellt.

Fazit: Es besser zu machen als Shakespeare ist schwierig, vielleicht sollte man (ähnlich dem Simulated Annealing) bei guten Vorlagen nur noch durch kleinere Abweichungen weitere Verbesserung suchen. Dem bei mir ohnehin schwierigen Stand von modernen Fassungen der Klassiker hat diese Inszenierung jedenfalls nicht genutzt, zu viel wurde - auch von mir, wie ich gerne zugebe, - laut gelacht, wo höchstens ein zartes Schmunzeln angebracht gewesen wäre.

Kritik an der Kritik: Besser wäre es gewesen, der Rezensent hätte seine Ausführungen zum Timon etwas chronologischer geordnet, insbesondere hätte die Erwähnung des Festes zum Beginn einen leicht zu erreichenden, aber erheblichen und unbedingt wünschenswerten Qualitätssprung bedeutet. Man gewinnt zurecht den Eindruck, der Autor hätte Eile gehabt, seinen Zug zu erreichen.